Interreligiöser Dialog im Bautzner Dom. Von links: ist Imam Kadir Sanci, Pfarrer Martin Prause, Hubertus Staudacher, Rabbiner Alexander Nachama und Moderator Bertin Rautenberg.Foto: Andreas Schuppert
Der Bautzner Dom als ein Ort der Ökumene war wohl der ideale Platz für ein Treffen der Religionen, zu dem die Caritas eingeladen hatte. Wenn ein Imam, ein Rabbiner und zwei Katholiken, darunter ein katholischer Pfarrer, miteinander sprechen, dann ist das in der Region eher noch ein seltenes Bild. Kontroverses war dann auch eher selten. Denn es sollte darum gehen, "Zeichen zu setzen" angesichts der aktuellen Diskussionen um Flüchtlingszahlen und Aufnahmequoten, wie Moderator Bertin Rautenberg, Leiter des Caritas-Schulzentrums Bautzen, am Anfang betonte.
"Braucht die Welt die Religionen, ist die Gottesfrage noch zeitgemäß?", fragt Rautenberg. Alles spreche dafür, dass die Säkularisierung mehr und mehr voranschreite und die Menschen auch ohne Religionen auskämen. "Religion ist nicht nur zeitgemäß, sondern auch modern", ist Imam Kadir Sanci, Mitbegründer des "House of One", überzeugt. Bereits in den Texten des Zeiten Vatikanischen Konzils sei beschrieben, dass die Menschen von den verschiedenen Religionen Antwort auf die ungelösten Rätsel erwarten. Pfarrer Martin Prause aus Schirgiswalde betont, dass die Menschheit vor großen globalen Herausforderungen stehe. Dabei könnten Religionen mit ihren Erfahrungen helfen, zum Beispiel in Zeiten des "Fastens und der Beschränkungen". Für Hubertus Staudacher, früherer Leiter des Katholischen Forums im Bistum Erfurt, ist "religiöse Minderheit" auch eine Chance für den interreligiösen Dialog. Menschen bräuchten Religionen auch, um im Gleichgewicht zu bleiben, sagt der Dresdner Rabbiner Alexander Nachama. "Nach einer Zeit des Schaffens muss es auch Zeiten der Ruhe geben. Dies würde ohne Religionen vielleicht verloren gehen."
Muslime müssen Verantwortung für Flüchtlinge übernehmen
Dabei geht es für die Religionsvertreter weniger um Mission oder "Sichtbarkeit", sondern vor allem um Dialog und Handeln. Wichtig sei es, "zuzuhören und auch sich selbst verändern zu lassen", ist Kadir Sanci überzeugt. Dabei stünden auch die Religionen vor großen Aufgaben. "Es gibt so viele Kriege. Menschen mit überwiegend religiösen Überzeugungen auf der Welt müssen Frieden gemeinsam schaffen." Dies nehme niemanden aus der Verantwortung. Dazu gehöre auch das soziale Handeln. Muslime müssten sich beispielsweise stärker um Flüchtlinge kümmern, da "viele von ihnen dem muslimischen Glauben angehören". "Gedanken und Taten müssen übereinstimmen", betonte Hubertus Staudacher. Deshalb sei die Caritas im kirchlichen Dienst unverzichtbar. Hier nehme der Glaube konkrete Gestalt im Sinne des Helfens und des Handelns an.
Gleichwohl jeder weiß, wo er steht, ist der Dialog zwischen den Religionen für die Teilnehmer das Entscheidende. Im Dialog, so Imam Sanci, gehe es nicht um Gleichschaltung, sondern um Verständnis, nicht zuerst um Unterschiede, sondern um gegenseitige Bereicherung. Dies beziehe auch das "Wissen" um den anderen ein.
Andreas Schuppert
Hintergrund: House of One
In Berlin entsteht ab 2019 etwas weltweit Einmaliges: Juden, Christen und Muslime bauen gemeinsam ein Haus, unter dessen Dach sich eine Synagoge, eine Kirche und eine Moschee befinden. Ein Haus des Gebets und der interdisziplinären Lehre. Ein Haus der Begegnung, für ein Kennenlernen und den Austausch von Menschen unterschiedlicher Religionen. Ein Haus auch für die, die den Religionen fernstehen.