Die Teilnehmer der Podiumsdiskussion von links: Matthias Mitzscherlich, Stephan Reiß-Schmidt, René Hobusch, Dorothee Dubrau, Dieter Rink und Moderatorin Valerie Schönian (Die ZEIT).Foto: Andreas Schuppert
Zu wenig bezahlbarer Wohnraum, teure Sanierungen, Verdrängungsprozesse in den Stadtzentren: Das waren nur einige Stichworte, mit denen sich die Teilnehmer an der Podiumsdiskussion im Vortragssaal der Leipziger Propsteikirche beschäftigten. Deutlich wurde: die Wohnraumsituation in Ballungszentren wie Leipzig bleibt angespannt. Gründe dafür seien vor allem aufwändige Sanierungen des Altbaubestandes oder Neubauten, bei denen schon die Einstiegsmieten sehr hoch sind, wie der Leipziger Kulturwissenschaftler Dieter Rink, stellvertretender Departmentleiter des Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung, am Beginn der Veranstaltung betonte.
Sorgen um bezahlbare Wohnungen insbesondere in den attraktiven Innenstadtbereichen macht sich die Baubürgermeisterin der Stadt Leipzig, Dorothee Dubrau (parteilos). "Die Situation hat sich deutlich verschärft, obwohl wir in den vergangenen Jahren versucht haben, den Wohnungsmarkt anzukurbeln", sagt Frau Dubrau. Das Problem sei, dass es kaum noch angemessenen Wohnraum für Familien mit niedrigem oder mittlerem Einkommen gebe. Die Baubürgermeisterin fordert deshalb für die Stadt Leipzig Erhaltungssatzungen, die die städtebaulichen und sozialen Strukturen der Wohngebiete bewahren sollen.
Gute Wohnungspolitik garantiert gesellschaftlichen Zusammenhalt
Ganz anders sieht das der FDP-Stadtrat René Hobusch, der eher eine Stagnierung des Wohnungsbestandes befürchtet, wenn solche Satzungen beschlossen würden. "Dann werden Wohnungen nicht mehr saniert", sagt Dubrau. Dies sei ein Freifahrtsschein dafür, dass sich Eigentümer nicht mehr um ihre Wohnungen kümmern. Der frühere Münchener Stadtentwicklungsplaner Stephan Reiß-Schmidt hat dagegen in seiner Stadt andere Erfahrungen gemacht. Die 21 in München gültigen Erhaltungssatzungen - dies betreffe derzeit 146.000 Wohnungen mit 261.000 Einwohnern - sollen die gebietsansässige Bevölkerung vor Verdrängung aus ihrem Viertel schützen. "Dies geschieht dadurch, dass alle Modernisierungen abgelehnt werden, die zu einem überdurchschnittlichen Standard der Wohnungen führen würden", erklärt Reiß-Schmidt. Eine Vernachlässigung der Wohnraumbestände lasse sich aber nicht erkennen.
Badewanne auf der Straße. Die öffentliche Aktion erregte Aufmerksamkeit.Foto: Nina Draxlbauer
Caritasdirektor Matthias Mitzscherlich plädiert ebenfalls für eine Wohnungspolitik , die den gesellschaftlichen Zusammenhalt stärkt und Verdrängungsprozesse verhindert. In diesem Blickwinkel stehe auch die Jahreskampagne der Caritas. "Wir brauchen Wohngegenden, wo alle zusammenleben können, Alte, Kranke, Arme, Familien, Reiche", so Mitzscherlich. Dies müsse im Zentrum der Wohnungspolitik stehen. "Wohnungspolitik ist für uns auch immer Sozialpolitik."
Mit einer öffentlichen Aktion hatte die Caritas bereits am 5. Oktober auf die verschärfte Wohnungssituation in Leipzig aufmerksam gemacht. Die bundesweite Initiative "Zimmer auf der Straße" soll besonders das "Recht auf Wohnen für jeden" betonen. Dies erfordert jedoch ein Umdenken in der Wohnungspolitik. Mitarbeitende der Wohnungsnotfallhilfe kamen mit Interessenten und Passanten darüber ins Gespräch.
Andreas Schuppert