Nicht nur in Deutschland werden die Alten mehr und die Jungen weniger. Der demographische Wandel ist international. Das zeigte eine trinationale Caritas-Konferenz vom 12. bis 15. September im polnischen Brunów, welche das alternde Europa zum Thema hatte.
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Pfarrer Andrzej Ziombra aus dem Bistum Legnica: Die polnische Caritas war Gastgeber der 3. Trinationalen Konferenz.
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Wenn Pfarrer Andrzej Ziombra, bis vor kurzem stellvertretender Caritasdirektor im Bistum Legnica (Liegnitz, Polen), die Situation des demographischen Wandels in seinem Land beschreibt, fühlt man sich an Deutschland erinnert. „Die Jungen gehen weg, ziehen in die Städte, die Alten bleiben zurück und sterben irgendwann“, erzählt der Geistliche. „Alterndes Europa – wie bewältigen das die Nachbarn?“ war das Thema der trinationalen Caritas-Konferenz im spätsommerlichen Ambiente eines alten, zum Hotel und Tagungszentrum umgerüsteten Landgutes im polnischen Brunów, zu der die Caritas im Bistum Legnica eingeladen hatte. Es war bereits die dritte Veranstaltung dieser Art, welche die Caritasverbände in den Bistümern Dresden-Meißen, Görlitz, Legnica und Litomerice (Tschechien) versammelte. Finanziert wird das Projekt unter anderem durch das Ziel 3-Programm der Europäischen Union. „Das Problem einer alternden Gesellschaft macht an den Grenzen nicht halt“, sagt die Koordinatorin auf deutscher Seite, Mechthild Gatter, vom Caritasverband für das Dresden-Meißen.
Jaroslaw Humenny, Landrat des Kreises Legnica, macht sich keine Illusion. Schon heute seien in seinem Kreis etwa 18 Prozent der Bevölkerung über 60 Jahre, Tendenz steigend. Blickt man in die Zukunft, so Humenny, verbreite sich nicht gerade Optimismus: Im Jahr 2030 werden rund 30 Prozent der Polen 60 Jahre und älter sein. „Das sind Herausforderungen, denen wir uns stellen müssen“. Humenny will aber den Teufel nicht an die Wand malen. Die Sozialpolitik seines Landkreises werde sich in Zukunft nach den Erfordernissen einer alternden Gesellschaft richten – mit allen Problemen, die damit verbunden sind. „Die Zukunft gehört den Alten. Aber das Älter werden ist keine Krankheit, sondern ein dynamischer Prozess. Wir müssen uns auch auf unser eigenes Altsein vorbereiten.“
Fachkräftemangel auch bei den Nachbarn ein Problem
Der Kreis Legnica legt nach den Worten des Landrates nun verstärkt Programme für die Altenhilfe auf. Dazu gehöre unter anderem die Unterstützung für Projekte, die die alten Menschen in ihrer häuslichen Umgebung begleiten. Ein wichtiger Aspekt: Die Gewinnung von ehrenamtlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern. In Polen sind es besonders auch junge Menschen, die sich ehrenamtlich in der sozialen Arbeit engagieren. Der akute Fachkräftemangel in der Altenhilfe ist auch in den Caritasverbänden Polens und Tschechiens ein Problem. „Es gibt zwar viele Menschen, die bei uns arbeiten wollen“, ist die Erfahrung von Ruzena Kavková, Caritasdirektorin im Bistum Litomerice. „Aber wir müssen sie abweisen, weil sie nicht gut ausgebildet sind.“
Der demographische Wandel, das Bewusstsein einer alternden Gesellschaft, kommt auch bei den Nachbarn nur langsam an. Alt werden bedeute für viele Menschen „Marginalisierung“ und Einsamkeit, so Zbigniew Sobolewski, Sekretär von Caritas Polen in Warschau. „Altwerden ist in der Gesellschaft immer noch ein Tabu. Gefragt sind das Junge und das Starke. Man gebe heute viel Geld aus, um das Alt werden zu verbergen. Alte Menschen leiden deshalb immer mehr unter Ablehnung und Ausgrenzung.“ Wie alte Menschen in Zukunft behandelt werden, hänge wesentlich davon ab, wie die Gesellschaft mit dem Alt werden umgehe. „Wir müssen lernen, das Alter zu akzeptieren. Dabei müssen wir besonders die Familien unterstützen – zum Beispiel bei der Pflege ihrer Angehörigen“, so Sobolewski. „Den besten Platz haben die alten Menschen in der Familie.“ Es gelte auch, die jungen Menschen mit dem Alt werden als einen Prozess des Lebens vertraut zu machen. „Die Jungen müssen erkennen, dass alte Menschen Hilfe brauchen und dass sie diese Hilfe leisten können.“ Umgekehrt sollen die Senioren nicht für sich selbst leben, sondern ihren reichen Erfahrungsschatz weitergeben.
Alternative Modelle der Altenhilfe
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Im Heil- und Gesundheitszentrum der Caritas in Jelenia Góra (Hirschberg) werden die alten Menschen liebevoll betreut.
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Die Akteure in der Altenhilfe aus Polen, Tschechien und Deutschland sind sich im Klaren, dass sich die Rahmenbedingungen für die Pflege und Betreuung alter Menschen verändern werden. Für die alten Menschen stehen immer weniger Jüngere zur Verfügung. Zudem werden die Menschen immer älter. „Das klassische Altenpflegeheim wird in Zukunft nicht mehr ausreichen“, sagt Michael Standera, Abteilungsleiter Gesundheit und Soziales des Caritasverbandes der Diözese Görlitz. „Wenn wir die Qualität in der Betreuung alter Menschen erhalten wollen, müssen wir uns alternative Modelle überlegen, die zum Beispiel ein generationsübergreifendes Miteinander in der Betreuung ermöglichen.“
Ansätze dazu gibt es hüben wir drüben: Im polnischen Jelenia Góra (Hirschberg) entstand seit dem Jahr 2000 ein Heil- und Gesundheitszentrum, das sich nicht nur um die Pflege und Betreuung alter Menschen kümmert, sondern auch eine Physiotherapie für Kinder unterhält und Menschen mit Behinderungen beschäftigt. Auf den insgesamt vier Stationen werden alte Menschen mit Demenz ebenso betreut wie Patienten mit neurologischen oder Knochenerkrankungen. Zudem gibt es eine eigene Station mit zehn Plätzen für alte und pflegebedürftige Priester. „Für unsere behinderten Mitarbeiter stehen ein Computer- und ein Fitnessraum zur Verfügung“, berichtet Verwaltungsleiterin Maria Sosnicka stolz. Die Angehörigen der Pflegebedürftigen kommen regelmäßig, um die Betreuung zu übernehmen. „Viele sind nur für eine begrenzte Zeit bei uns“, sagt Frau Sosnicka, „zum Beispiel nach einem Krankenhausaufenthalt“. Wenn es ihnen besser gehe, kehrten sie wieder in ihre Familien zurück.
In unmittelbarer Nähe des Caritas-Altenpflegeheimes „Hildegard Burjan“ in Görlitz eröffnet im Oktober ein Wohnprojekt für Menschen mit Demenz und einer erhöhten Pflegebedürftigkeit. „Die alten Menschen haben ihre eigenen Wohnungen, werden aber die alltäglichen Dinge wie Essen kochen oder Wäsche waschen gemeinsam verrichten, soweit sie das noch können“, erläutert Projektleiterin Beate Starre. Dadurch soll eine familiäre Atmosphäre entstehen, in der sich die Bewohner zu Hause fühlen. Auch hier sind die Angehörigen eingeladen, sich zu beteiligen und somit die Atmosphäre des Hauses mit zu gestalten. Insgesamt stehen 22 Plätze in zwei Wohngemeinschaften zur Verfügung. Hinzu kommen neun barrierefreien Wohnungen mit Hausnotruf. Für die Caritas gebe es nicht nur in der Altenhilfe viel zu tun, resümiert Pfarrer Ziombra. Aber hier und anderswo gilt: „Wir müssen in dem Patienten einen Menschen sehen, ihm dabei helfen, auch in Krankheit und Alter so lange wie möglich aktiv zu leben. Und wir machen das "Unmögliche möglich“, weil wir ihm sagen, dass er nicht alleine ist“, meint Andrzej Ziombra.