Präimplantationsdiagnostik, Genmedizin, Computesierung sind nur einige Stichworte, die den Wandel im medizinischen Fortschritt kennzeichnen. Die Möglichkeiten seien vielfältig, meint Arne Mazeschke, und sie verändern sich weiter rasant. Angesichts dieser Entwicklungen stelle sich die kantische Frage: Was sollen wir tun? Und wer sind "wir", wenn wir entscheiden?
Mazeschke äußerte sich anlässlich der jährlichen Konferenz der Ärztlichen Direktoren, Pflegedirektoren und Verwaltungsdirektoren der katholischen Krankenhäuser im Bistum Dresden-Meißen am 9. November in Dresden. Pardoxerweise habe der Fortschritt "der Ethik das Leben" gerettet, so der frühere evangelische Geistliche und heutige Professor an der Evangelischen Hochschule Nürnberg. Denn erst der Fortschritt habe die drängenden Fragen nach seinen Möglichkeiten und Grenzen aufgeworfen. Technik allerdings sei immer ein wesentlicher Bestandteil menschlicher Kulturgeschichte, habe zu Begeisterung und Verfremdung geführt, irritierend und faszinierend zugleich.
Ethische Entscheidung werden komplexer
Dass der Fortschritt dabei Segen und Fluch zugleich ist, scheint in diesem Zusammenhang banal zu klingen, gibt wohl aber am besten das Dilemma wieder. Vor dem Hintergrund der Technisierung gerade in der Medizin sei der Mensch nicht mehr alleiniges Handlungssubjekt, sondern in ein komplexes, technisches Expertensystem eingebunden, das Entscheidungen trifft und Empfehlungen gibt. "Wer sich diesen Empfehlungen entziehen will, muss das schon gut begründen können", so Mazeschke. Unsicherheit mache sich aber dann breit, wenn der Mensch die Technikfolgen nicht mehr abschätzen könne.
So ist der Träger verantwortlicher ethischer Entscheidungen kaum mehr der einzelne, sondern ein ganzes Geflecht von Bedingungen, das man als "Organisation" bezeichnet. Die Fragen nach dem moralisch Guten in der Gesellschaft beantwortet nicht mehr das Individuum, sondern die vernetzte Welt der Organisation. Diese müsse ihre Handlungsfelder und Kontexte reflektieren, um zu guten Entscheidungen zu kommen.
Andreas Schuppert